Kurt Greussing und Hans G. Kippenberg: Im Fadenkreuz - Die offene Gesellschaft

Der politische Katholizismus in Europa und die evangelikale Rechte in den USA

Vorträge und Diskussion
Mittwoch, 14. Januar 2009, 19:30 Uhr
Theater am Saumarkt

Im Christentum seien – im Gegensatz zum Islam – Staat und Religion grundsätzlich getrennt. So lautet eine populäre Behauptung in der gegenwärtigen Auseinandersetzung um „abendländische Werte“. Zwei Vortragende unterziehen diese Behauptung an diesem Abend einer Überprüfung – mit Material aus der Geschichte des Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert sowie des evangelikalen Protestantismus in den USA im 20. und 21. Jahrhundert.

Kurt Greussing:
Wider den „Wahnsinn der Gewissensfreiheit“ und die „abscheuliche Freiheit der Buchdruckerkunst“

Die politische Gegenreformation des Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert

In der Auseinandersetzung um das Konzept eines religionsneutralen, laizistischen Staatswesens ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat die katholische Kirche – in Mittel-, West- und Südeuropa – schon sehr früh und radikal Stellung bezogen: gegen die Trennung von Kirche und Staat, gegen ein liberales staatliches Bildungswesen, gegen die Gleichberechtigung der Konfessionen und gegen den Vorrang von staatlichem vor kirchlichem Recht. Solche Festlegungen waren verbunden mit einer ebenso entschiedenen Ablehnung bürgerlicher Grundwerte wie Gewissensfreiheit, Pressefreiheit und Freiheit der wissenschaftlichen Forschung. Die Ideologie des politischen Katholizismus feierte in Europa auch zwei große weltliche Siege: 1933/34 mit der Errichtung der austrofaschistischen Diktatur 1933/34 und 1939 mit dem Sieg des spanischen Faschismus unter Franco. Spannend ist, wie sich dann die Positionen des politischen Katholizismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewandelt haben – und was bis heute von ihnen geblieben ist.

 

Hans G. Kippenberg:
"Außenpolitik auf heilsgeschichtlichem Schauplatz: Die USA im Nahostkonflikt"

Seit hundert Jahren ist im amerikanischen Protestantismus eine Strömung stetig angewachsen, die mit einem baldigen Ende der Welt rechnet. Untrügliches Zeichen dafür ist die Wiederherstellung Israels im Heiligen Land. Die Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel im Sechsttagekrieg 1967 wurde nicht nur von religiösen Zionisten, sondern auch von amerikanischen Protestanten als ein heilsgeschichtlicher Sprung verstanden. Nun erwarten sie die Wiederkehr des Herren und die Entrückung aller Gerechten. Dieses Geschichtsbild ist in den USA so erfolgreich popularisiert geworden, dass ca 50 Millionen Bürger damit sympathisieren. G. W. Busch und die Republikaner haben dieses evangelikale Lager bei der Wahl 2000 und 2004 für ihre Politik mobilisieren können und in ihrer Nahostpolitik diesen Auffassungen entsprochen.